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Nimmerland. Wo Minister nicht erwachsen werden wollen

Unserem Land soll es gut gehen. Die Wirtschaft soll brummen. Die Bevölkerung soll angstfrei leben. Das Bildungswesen soll den Jugendlichen alle Chancen eröffnen. Die Straßen und Brücken sollen nicht marode sein. Und das Gesundheitssystem soll gut und sicher funktionieren. Warum klappt das alles nicht? 
Wenn etwas nicht läuft, liegt es an den Menschen an der Spitze. In Unternehmen, in Kommunen, in Verwaltungen, in Regierungen. Dort, wo entschieden wird. Treffen Politiker in Regierungsverantwortung die falschen Entscheidungen, kann das dramatische Auswirkungen für die gesamte Bevölkerung haben.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat Regierungsverantwortung. Und er trifft falsche Entscheidungen. Lauterbachs Amtsverständnis müsste sich um ein leistungsstarkes Gesundheitswesen drehen. Doch er sieht sich in der Rolle eines Systemveränderers. Und wird damit zum Zerstörer bewährter Strukturen. Klinikschließungen statt Krankenhausfinanzierung, Praxisaufgaben statt Honoraranpassungen, Bevorzugung der ausländischen Arzneimittelversandkonzerne statt Beendigung des Apothekensterbens. Das kann nicht gut gehen. 
Doch unbeeindruckt von Protesten setzt Lauterbach um, was er sich vorgenommen hat. Oft zum Nachteil der deutschen Apotheken. Dabei kämpfen die immer noch mit den Tücken der Umstellung vom Papierrezept auf das „E-Rezept“. Dafür zuständig ist die „Gematik“, eine staatliche Gesellschaft. 51 % der Anteile hält der Bundesgesundheitsminister. Die Krankenkassen und die Verbände der Ärzte, der Zahnärzte, der Apotheker und der Krankenhäuser teilen sich den Rest. Die Gematik soll eine funktionierende „Telematikinfrastruktur“ als Grundlage für eine digitale und sichere Vernetzung im Gesundheitswesen entwickeln. Wichtigstes Projekt zur Zeit – das E-Rezept zum Laufen bringen.

Der Weg des Einlösens eines E-Rezepts ist staatlicherseits nicht festgelegt. Aber die Gematik muss jedes Verfahren auf Sicherheit und Funktionsfähigkeit prüfen und freigeben. Zunächst gab es drei Verfahren, ein Rezept einzulösen. Zum einen geht es mit der eGK, der Elektronischen Gesundheitskarte. Zum anderen mit der von der Gematik entwickelten E-Rezept-App. Und zum dritten mit dem Aufdruck des persönlichen Tokens, des QR-Codes. Für alle drei Verfahren ist die Apotheke der natürliche Anlaufpunkt. Die holt sich das Rezept auf digitalem Weg von einem zentralen Server ab.
Inzwischen ist mit CardLink noch eine vierte Lösung hinzugekommen. Sie ist mobil. Benötigt werden die Gesundheitskarte und ein NFC-fähiges Smartphone. Nach der Eingabeprozedur kann man seine Rezepte einsehen, in den Warenkorb legen, weitere Produkte hinzufügen und die Bestellung aufgeben. Keine Überraschung, dass diese Lösung vom europäischen Verband der Arzneimittelversender EAEP entwickelt wurde. Die Versandkonzerne hatten im ersten Quartal nichts vom sehnlichst erwarteten Absatzboom bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln gemerkt. So musste dringend eine schnelle und einfache Lösung her.
Die Gematik spielte mit. „Die Zeitspanne, in der wir CardLink tatsächlich an den Markt gebracht haben, ist sensationell. Ich weiß nicht, ob es jemals ein Gematik-Produkt gab, das so schnell rausgekommen ist.“ Axel Schulz, Chefentwickler der Gematik, sagte dies nicht ohne Stolz anlässlich eines Talks bei einer Tagung. Das Branchenmagazin apotheke adhoc berichtete. Die erste Zulassung von CardLink erhielt denn auch schon Anfang April ein großer ausländischer Arzneimittelversender. Da es sich mit CardLink jetzt um einen offiziellen vierten Weg handelt, müssen die Apotheken programmtechnisch nachziehen. Bis zur Zulassung durch die Gematik ein Nachteil auf Monate hinaus.

Es war Gesundheitsminister Lauterbach, der diesen Vorsprung für die Arzneimittelversandkonzerne ermöglichte. In einem Arzneimittelmarkt, der jetzt unter digitalen Gesichtspunkten neu verteilt wird. Alle Gesellschafter der Gematik hatten gegen die Freigabe von CardLink gestimmt, da noch wichtige Fragen zur Sicherheit zu klären waren. Doch Gesundheitsminister Lauterbach dupierte seine Gesellschafter. Mit seinen 51 % der Stimmen boxte er das Verfahren im Alleingang durch. Und ermöglichte damit die Rekordzulassungszeit zum Nachteil der Apotheken.
Während Österreich in einer großen Reform im Einklang mit allen Parteien und Verbänden die Bedeutung seiner Apotheken stärkt, werden in Deutschland auch in diesem Jahr wieder fünfhundert Apotheken für immer schließen müssen.